Redebeitrag von Tim Dreyer

Hi, mein Name ist Tim von den LINKEN
Ich freue mich darüber, dass heute so viele Menschen gekommen sind, um den selbsternannten Querdenkerinnen hier in Darmstadt entgegen zu treten. Das wird auch bitter nötig. Wir dürfen Antisemitismus, Verschwörungserzählungen und Reichsbürgerinnen nicht mehr länger unwidersprochen lassen.

Dabei gibt es doch so viele Gründe um auf die Straße zu gehen, liebe Freundinnen. Die Corona-Pandemie verschärft bestehende Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten nur weiter. Corona trifft uns alle, nur nicht alle gleich.

Wir befinden uns aktuell auf dem direkten Weg in die zweite Welle, die Fallzahlen steigen wieder an, erste Städte und Bundesländer beschließen neue Beschränkungen. Dabei betonen Politikerinnen immer wieder, dass ein zweiter Lockdown unbedingt verhindert werden soll. Dahinter steckt Kalkül. Man fürchtet sich vor den ökonomischen Folgen eines zweiten Lockdowns. Und weil man die Profitmöglichkeiten der Unternehmen nicht einschränken möchte, werden die Kontaktbeschränkungen im privaten Raum wieder massiv zunehmen. Damit wir täglich in überfüllten Bussen ohne Abstand zur Arbeit fahren und bei Tönnies die Bänder laufen können, gibt es nun Übernachtungsverbote für Touristinnen aus
Risikogebieten.

Schon heute ist, neben sogenannten Superspreader-Events, der Arbeitsplatz der Ort, an dem sich Menschen am häufigsten mit Corona anstecken.
Das ist vor allem ungerecht und bevorzugt das Gewinninteresse des Kapitals.

Während die großen Konzerne Kurzarbeit oder Staatshilfen beantragen können, ist die Situation für die kleinen Betriebe, Freiberuflerinnen und Soloselbstständige höchst prekär.
Vor allem die Kulturschaffenden werden von der Politik bisher gewissentlich vergessen oder ignoriert. Für viele kleinen Kinos, freie Theater aber auch Bars und Clubs sieht es düster
aus.
Und was machen die großen Konzerne mit ihrer Staatsknete: Sie strukturieren ihre Unternehmen komplett um und führen Massenentlassungen durch, wie aktuell bei Conti in Babenhausen oder Karben.

Wenn das ökonomische Leben seinen normalen Gang gehen soll, Schulen, Kitas und Freizeiteinrichtungen allerdings schließen müssen, hat das enorme Folgen für das Zusammenleben von Familien und Wohngemeinschaften. Gerade Frauen leiden unter der
Doppelbelastung zwischen Lohn- und Sorgearbeit. Partnerinnenschaften und Familien leben wieder verstärkt patriarchale Rollenbilder, die man eventuell schon längst abgelegt hat.

Wir haben bereits im Frühjahr gesehen, dass die Zahlen häuslicher Gewalt gestiegen sind und Depressionserkrankungen zugenommen haben.
Besonders dramatisch aber ist die Situation für Geflüchtete in den Sammelunterkünften. Wie soll man Abstand halten, wenn sich 10 Leute ein Zimmer und noch mehr Menschen eine Dusche teilen müssen? Kein Wunder also, dass es in Gemeinschaftsunterkünften immer wieder zu Corona-Ausbrüchen kommt., so erst kürzlich in Frankfurt. Die hessische Landesregierung handelt hier grob fahrlässig, liebe Freundinnen.

Und lasst uns ehrlich sein, liebe Freundinnen. Die Ursache für all diese Probleme, die ich grade aufgezählt habe, hat einen Namen: Sie heißt Kapitalismus. Ohne eine gänzlich andere Form des Wirtschaftens – jenseits von Profitmaximierung und Wachstumszwang – und ohne eine neue solidarische Art des Zusammenlebens, werden wir die massiven Verwerfungen
dieser Krise nicht in den Griff bekommen.

Und es wäre absolut vermessen vor mir, wenn ich behaupten würde, auf all diese vielen Probleme eine Antwort zu haben. Die habe ich nicht. Ich finde aber, es ist jetzt allerhöchste Zeit dafür, die Antworten gemeinsam zu finden. Ich finde, heute ist ein guter Anfang dafür.
Lasst uns gemeinsam überlegen, wie eine solidarische Antwort auf die Corona-Pandemie aussehen kann.

Wir als LINKE möchten fünf konkrete Vorschläge machen, die wir als Sofortmaßnahmen wichtig finden. Nicht der Weisheit letzter Schluss oder das Ende der Debatte, sondern ihr Anfang. Fünf Maßnahmen als eine Art der ersten Hilfe:

1. Gehaltszulagen für Beschäftigte im Gesundheitswesen, ganz besonders in der Pflege,

2. Ein Verbot von Entlassungen bei allen Unternehmen, die staatliche Unterstützung erhalten.

3. Ein Pandemieüberbrückungsgeld für kleine Geschäftsinhaberinnen, Freiberuflerinnen und Solo-Selbstständige.

4. Ein Sofortiges Verbot von Mietkündigungen und Zwangsräumungen,

5. Einen Sofortigen Stopp aller Abschiebungen und eine Corona-konforme Unterbringung von Geflüchteten.

Wer an den sozialen Verwerfungen der Pandemie wirklich etwas ändern möchte, ist eingeladen, mit uns zusammen auf die Straße zu gehen. Wer wirklich für eine gemeinsame und solidarische Lösung der Corona-Pandemie streiten möchte, findet ihn uns Verbündete
und Unterstützerinnen.

Wer aber auf die Straße geht um Verschwörungserzählungen zu verbreiten und dabei hilft, menschenverachtende Einstellungen wie Antisemitismus, Rassismus oder völkisches Gedankengut weiter salonfähig zu machen, findet in uns eine entschiedene Gegnerin.

In diesem Sinne: Lasst uns weiter für gemeinsam eine solidarische Lösung der Krise streiten und lasst uns eine klare Rote Linie Richtung Querdenken, Reichsbürgerinnen Neonazis und
andere Menschenfeinde ziehen. Alerta!

Tim Dreyer von der Fraktion DIE LINKE.
im Hessischen Landtag